Das Wichtigste in Kürze
- Haben Sie weder ein Testament noch einen Erbvertrag gemacht, bestimmt das Gesetz, wie Ihr Erbe verteilt wird. Das Schweizer Erbrecht regelt das Verhältnis der gesetzlichen Erben untereinander, deren Rechte am Nachlass und wer wie viel erbt.
- Seit dem 1. Januar 2023 können Sie mit einem Testament oder Erbvertrag grössere Teile Ihres Nachlasses frei verteilen. Die Pflichtteile – die geschützten Erbteile der gesetzlichen Erben – sind reduziert oder gestrichen worden.
- Falls Sie bereits ein Testament verfasst haben, sollten Sie es jetzt überprüfen. So stellen Sie sicher, dass auch mit den neuen Bestimmungen alles nach Ihren Wünschen umgesetzt wird.
Kein Testament oder Erbvertrag: Das sagt das Schweizer Erbrecht
Rund 70% der Schweizer Bevölkerung haben keinen letzten Willen in Form eines Testaments oder Erbvertrags. In all diesen Fällen bestimmt das Schweizer Erbrecht, was mit dem Erbe geschieht.
So funktioniert die gesetzliche Erbfolge
Gesetzliche Erbinnen und Erben sind: die eingetragene Partnerin resp. der eingetragene Partner oder die Ehepartnerin und der Ehepartner, die Familienmitglieder in definierter Reihenfolge sowie – bei deren Fehlen – der Kanton oder die Gemeinde des letzten Wohnsitzes. Je enger verwandt mit der verstorbenen Person, desto weiter vorne ist jemand in der Erbfolge (Parentelsystem).
Es gilt:
- Obwohl nicht blutsverwandt, erben verheiratete oder eingetragene Partnerinnen und Partner immer. Im Gegensatz dazu haben im Konkubinat lebende Partnerinnen und Partner keinerlei gesetzlichen Anspruch aufs Erbe. Geschiedene Partnerinnen und Partner werden ebenfalls nicht berücksichtigt.
- Neben der Ehefrau oder dem Ehemann haben eigene Kinder und deren Nachkommen Priorität in der Erbfolge (1. Parentel). Solange die Kinder minderjährig sind, verwaltet der überlebende Elternteil ihr Erbe. Die Erträge daraus dürfen für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung der Kinder verwendet werden.
- Verwandte der zweiten Priorität (2. Parentel) wie Eltern und Geschwister erben nur, wenn weder Kinder noch Kindeskinder da sind. Ist ein Elternteil bereits verstorben, geht dieser Teil des Erbes an die Geschwister über. Ohne Geschwister erbt der verbleibende Elternteil alles.
- Sind weder Eltern noch Geschwister noch deren Nachkommen da, erben Verwandte der dritten Priorität (3. Parentel) wie Cousinen oder Cousins.
- Fehlen (eingetragene) Ehepartner oder -partnerin, Kinder und lebende Verwandte, geht das Erbe an den Kanton oder die Gemeinde des letzten Wohnsitzes.
Wie das Erbe nach dem Gesetz verteilt wird
Das Erbrecht definiert auch, wer von den gesetzlichen Erbinnen und Erben welchen Anteil am Erbe erhält. Diese gesetzlichen Erbteile berechnen sich in Bruchteilen des Gesamterbes:
- Verheiratete oder eingetragene Partnerinnen und Partner erhalten mindestens 50% des Erbes. Sind Kinder da, wird die andere Erbhälfte unter ihnen respektive deren Nachkommen aufgeteilt. Ohne Kinder gehen 75% an die Partnerin oder den Partner, 25% an die Verwandten (Eltern, Geschwister etc.).
- War die verstorbene Person nicht verheiratet und lebte auch nicht in einer eingetragenen Partnerschaft, hat aber Kinder, erben diese oder deren Nachkommen 100%.
- War die verstorbene Person kinderlos, wird das Erbe unter den Eltern hälftig aufgeteilt. Sind diese bereits verstorben, erben die Geschwister, ansonsten die Nichten und Neffen etc. Sind ebenfalls keine vorhanden, geht ihr Erbteil an die Grosseltern etc. Ohne lebende Verwandten geht das ganze Erbe an den Kanton oder die Gemeinde des letzten Wohnsitzes.
Gut zu wissen
Vererben mit Testament oder Erbvertrag: den Spielraum nutzen
Rund 30% der Schweizer Bevölkerung nehmen mit einem letzten Willen Einfluss auf ihr Erbe. Über die gesetzlichen Erben hinaus begünstigen diese Menschen mit einem Testament oder Erbvertrag weitere Personen und Organisationen. Oder sie verändern die gesetzliche Verteilung ihres Nachlasses unter den Erbinnen und Erben. Aber Achtung: Auch mit einem Testament oder Erbvertrag ist beim Vererben nicht alles erlaubt. Das Erbrecht definiert, wer im Minimum wie viel erhält.
Reduzierte Pflichtteile seit dem 1. Januar 2023
Das Schweizer Erbrecht schützt das Erbe der direkten Nachkommen sowie der Ehe- und eingetragenen Partnerinnen und -partner. Diese erhalten auf jeden Fall einen bestimmten Anteil am Erbe, den sogenannten Pflichtteil. Sie können grundsätzlich nicht vom Erbe ausgeschlossen werden – ausser sie verzichten selbst darauf.
Im revidierten Erbrecht, das seit dem 1. Januar 2023 gültig ist, sind jedoch die Pflichtteile reduziert worden: Jene der eigenen Nachkommen werden kleiner, die Pflichtteile der Eltern fallen ganz weg. Mit einem Testament oder Erbvertrag kann nun ein grösserer Teil des Nachlasses frei verteilt werden.
Die alte und die neue Pflichtteil-Regelung im Vergleich:
Das neue Erbrecht kommt zum Beispiel Patchwork-Familien zugute. Sie können dank der grösseren freien Quote Stiefkinder in einem Testament oder Erbvertrag besser berücksichtigen.
Immer mehr Menschen leben ohne Trauschein zusammen. Aber trotz der Revision des Erbrechts haben unverheiratete Paare oder Paare, die nicht in einer eingetragenen Partnerschaft leben, weiterhin kein gesetzliches Erbrecht und keinen geschützten Pflichtteil. Stirbt jemand, ohne einen letzten Willen zu hinterlassen, geht die andere Person beim Erben leer aus. Aber dank der grösseren freien Quote können Konkubinatspartnerinnen und -partner einander im Testament oder im Erbvertrag grosszügiger absichern.
Wie die Konkubinatspaare geniessen auch die Singles grossen Spielraum, wenn es ums Verteilen des Erbes geht. Wer keine eigenen Kinder hat, kann das ganze Vermögen frei vererben und nach eigenen Vorstellungen Personen oder Organisationen begünstigen.
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Gut zu wissen
Häufige Fragen rund ums Erben – und unsere Antworten darauf
Was gehört zum Erbe?
Was ist der Unterschied zwischen Erbteil und Pflichtteil?
Wie funktioniert die gesetzliche Erbreihenfolge?
Sind meine Stiefgeschwister nach dem Gesetz erbberechtigt?
Was ist die güterrechtliche Auseinandersetzung?
Wie unterscheiden sich die drei Güterstände, wenn es ums Erbe geht?
Gütergemeinschaft: Unabhängig davon, wann etwas erworben oder geschenkt wurde, ist in der Ehe alles grundsätzlich gemeinsamer Besitz. Wenn der Partner oder die Partnerin stirbt, wird diese Hälfte unter den Erbinnen und Erben aufgeteilt – ausser es liegt eine anderweitige vertragliche Vereinbarung vor.
Gütertrennung: Falls das Paar immer auf die strikte Trennung des Besitzes geachtet hat, ist im Todesfall bereits klar, wem was gehört und was entsprechend zur Erbmasse gehört. Die güterrechtliche Trennung fällt weg.