Nach heftigen und lang andauernden Niederschlägen kann der asphaltierte oder ausgetrocknete Boden den Regen nicht mehr schlucken. Das Wasser fliesst unkontrolliert auf der Oberfläche ab.
In 10 Minuten regnet es am 11. Juni 2018 in der Region von Lausanne so viel wie in einem halben Monat: mehr als 40 Liter Regen pro Quadratmeter prasseln nieder. Das ist etwa so, wie wenn man einen Liter Wasser in ein Zweideziliter-Glas giessen würde.
Die Folgen heftiger oder langandauernder Regengüsse verursachen pro Jahr insgesamt Schäden von durchschnittlich 300 Millionen Franken. Bemerkenswert dabei: Fast die Hälfte aller Hochwasserschäden in der Schweiz gehen auf oberflächlich abfliessendes Wasser zurück. Denn Starkniederschläge setzen oft Gebiete unter Wasser, die weder an einem See, noch an einem Fliessgewässer liegen wie das Beispiel des Lausanner Bahnhofs oder der Stadt Zofingen im Juni 2017 zeigen. Dies ergeben unter anderem Schadenanalysen von Versicherungen. Die jährlich allein durch Oberflächenabfluss verursachten Schadensummen liegen im Schnitt bei rund 140 Millionen Franken. Das Schadensausmass variiert aber von Jahr zu Jahr stark.
Der Abfluss auf der Oberfläche verstärkt sich, wenn der Boden versiegelt, total ausgetrocknet oder nach einer längeren Regenperiode bereits mit Wasser gesättigt ist: Zusätzliches Regenwasser versickert nicht mehr im Erdreich und sammelt sich an der Oberfläche. Dadurch können sich auf ebenem Feld und anderen Flächen wie Sport- oder Parkplätzen riesige Pfützen bilden. In Hanglagen hingegen fliesst das buchstäblich überflüssige Wasser ab. Dabei kann es Geschwindigkeiten von 20 km/h und mehr erreichen und gefährliche Kräfte entwickeln, insbesondere, wenn viel Wasser zusammenfliesst.
Oft reissen die Wassermassen Schlamm, Blätter und Äste von Bäumen und anderes Material mit, während sie sich über Strassen und andere künstliche oder natürliche Korridore den schnellsten Weg in tiefergelegenes Gelände bahnen. Ausgetrocknete Böden können übrigens keine grossen Regenmengen in kurzer Zeit aufnehmen: Weil eine spärliche, ausgedörrte Pflanzenbedeckung den Boden schlechter vor dem Aufprall von Regentropfen schützt, können diese eine Verschlämmung und damit eine Versiegelung der Poren an der Bodenoberfläche bewirken.
Durch die Versiegelung des Bodens infolge von Bauten wie Strassen und Gebäuden – in der Schweiz wird im Schnitt jede Sekunde ein Quadratmeter Land zugebaut – kann bei Regen ebenfalls weniger Wasser im Erdreich versickern. Es fliesst an der Oberfläche ab und kann damit die Hochwassergefahr verschärfen. Die Schweiz ist ein dicht besiedeltes Land und der Wert, aber auch die Verletzlichkeit durch Naturgefahren von Infrastrukturen wie Verkehrswegen, Gebäuden oder Leitungen steigt stetig. Darum hat der Bund zusammen mit Versicherungspartnern eine neue Gefährdungskarte erarbeitet. Sie zeigt, welche Flächen in der Schweiz wie stark von oberflächlich abfliessendem oder stehendem Wasser betroffen sein können.
Auf der Gefährdungskarte Oberflächenabfluss Schweiz sind schweizweit sämtliche Gebiete markiert, die von Oberflächenwasser betroffen sein können. Je nach Gefährdungsgrad (zu erwartende Tiefe von fliessendem oder stehendem Wasser) sind die potenziell gefährdeten Flächen in unterschiedlichen Violett-Tönen eingefärbt: je dunkler, desto tiefer das zu erwartende Oberflächenwasser. Auf der elektronisch frei verfügbaren Karte im Massstab 1:12‘500 lässt sich eruieren, ob eine bestimmte Liegenschaft gefährdet sein könnte oder nicht. Um die Befunde aus der Oberflächenabflusskarte aber korrekt zu interpretieren, ist eine direkte Abklärung vor Ort durch einen Fachexperten unerlässlich.