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PRÄVENTION
Die Helfer in der Not
Psychische Belastungen machen nicht vor dem Arbeitsplatz halt. Zurich Schweiz hat als erste Versicherung ein Team von Mental Health Coaches aufgebaut, das Firmen hilft, wenn es kritisch wird.
Dominik Buholzer
Der Anruf erreicht Irene Ruetz spät- abends. Am Telefon: ein verzweifelter Manager. Er ist beruflich stark gefordert und weiss kaum, wie er sein Arbeitspen- sum bewältigen soll. Zudem macht er sich Sorgen um seinen Sohn: Statt sich auf eine Lehrstelle zu bewerben, zieht sich der Teenager komplett zurück und ist nur noch am Gamen. Darunter leidet auch die Beziehung zu seiner Frau. Sie fühlt sich im Stich gelassen. Nun erhofft er sich von Irene Ruetz Unterstützung. Sie soll die Situation analysieren und zusammen mit der ganzen Familie Lö- sungsansätze erarbeiten.
Irene Ruetz ist Mental Health Coach
im Bereich Health & Care Services bei Zurich Schweiz. Die Versicherung hat jüngst ein Team von Psychologinnen und Coaches aufgebaut, die auf solche Fälle bei Firmenkunden spezialisiert sind; ein Novum in der schweizerischen Ver- sicherungslandschaft. Der Erstkontakt erfolgt in der Regel über die Personalab- teilung. «Die betroffenen Mitarbeitenden wünschen meist professionelle Unter- stützung für ein akutes Lebensthema», sagt Irene Ruetz. Die Palette möglicher Themen ist breit: Sie reicht von einem schweren Krankheitsfall in der Familie über Scheidung bis hin zu beruflichen Problemen. Solche Krisen können
zu psychischen Erkrankungen führen, vor allem, wenn sie akut sind.
Weniger leistungsfähig
Millionen von Menschen leiden weltweit unter psychischen Problemen. Eine der häufigsten Formen ist die Depression. Neben den individuellen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Betroffenen
haben psychische Probleme auch negative Folgen für die Arbeitsfähigkeit vieler Menschen: Es kann ein erheblicher Produktivitätsverlust entstehen. Betrof- fene haben oft Schwierigkeiten, sich
zu konzentrieren, sind müde und haben ein geringeres Leistungsniveau.
Psychische Probleme können aber auch das Arbeitsplatzklima negativ beein- flussen und die Mitarbeitendenbindung gefährden. Ein schlechtes Arbeitsplatz- klima kann zu höheren Fluktuationsraten führen, da Mitarbeitende möglicherweise nach einem besseren Arbeitsumfeld suchen. Unternehmen, die sich um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden kümmern und Unterstützung bei der Bewältigung von Depressionen anbieten, können eine positive Arbeitsumgebung schaffen und die Mitarbeitendenbindung stärken.
Vermehrt Jugendliche
bekunden psychische Probleme Markant zugenommen haben psychi- sche Probleme bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Ihr Anteil macht laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik rund 14 Prozent aus. Beson- ders stark verbreitet sind bei ihnen laut Irene Ruetz Phobien, sprich Ängste. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, sagt die Psychologin von Zurich Schweiz: «Die Anforderungen der Gesellschaft sind hoch, auch über die sozialen Medien werden zum Teil unrealistische Ideale vermittelt. Gleichzeitig fehlen
oft tragfähige soziale Netzwerke und klare Perspektiven für die Lebens- planung. In diesem Spannungsfeld fühlen sich viele Jugendliche verloren
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