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Strassenverkehr in einem ganz anderen Licht. Gerade als Industrienation sind wir angesichts der dynamischen Ent­ wicklung hin zur Klimaneutralität gut be­ raten, dies nicht ausser Acht zu lassen.
Was braucht es für ein Umdenken?
Ich denke, die weitere Entwicklung wird dafür sorgen. Zum einen wird die Tank­ infrastruktur für Wasserstoff mit Blick auf die Nutzfahrzeuge in jedem Fall weiter ausgebaut – das Fit­for­55­Paket der EU­Kommission sieht eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, bis 2030
auf dem transeuropäischen Verkehrs­ netz alle 150 Kilometer für eine Wasser­ stofftankstelle mit 700­bar­Technik
zu sorgen.
Das Henne­Ei­Problem würde dadurch weitgehend gelöst. Zum anderen wird man beim Aufbau einer europaweiten Ladeinfrastruktur für Batteriefahrzeuge merken, wie gross diese Aufgabe gerade auch mit Blick auf die Anforderungen an die Stromnetze ist. Und schliesslich: Je weiter wir unser System komplett auf stark fluktuierende erneuerbare Ener­ gien umstellen, desto dringender be­ nötigen wir den speicherbaren Ener­ gieträger, und dies ist nun mal Wasser­ stoff. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass auch das Thema Brennstoffzelle im Pkw noch einmal Konjunktur bekommt
– selbst bei den deutschen Auto­ herstellern. Wobei zum Beispiel BMW diesen Technologiepfad ja ohnehin aktiv verfolgt. Welche Lösung sich letztlich
für welche Anwendung durch­
setzt, wird dem Angebot und der Nach­ frage überlassen sein.
Heute sind Wasserstoffautos
noch zu teuer. Dürfte es in Zukunft also einen Markt dafür geben?
Die Brennstoffzellentechnik ist zumindest beim aktuellen Ent­ wicklungsstand kein Thema für kleine, kostengünstige Pkw, sondern eignet sich mehr für die Kategorie Reise­ limousine. Gerade für Personen,
die viel unterwegs sind, und lange Strecken zurücklegen müssen, können Wasserstofffahrzeuge künftig eine Alternative zum Batteriefahrzeug sein. Eine weitere Fahrzeugklasse, in der die Brennstoffzelle eine sinnvolle Alter­ native sein kann, sind Transporter und Vans. Auch diese müssen in vielen Fällen weiter bewegt werden als das heute mit Batterien möglich ist. Mit dem Hochlauf der Serienproduktion werden die Preise sinken. Der Toyota Mirai 2 ist zum Beispiel schon deutlich günstiger als das Vorgängermodell.
Die EU will den Verbrennungsmotor bis 2035 vollständig verbieten. Wird dies Wasserstofffahrzeugen einen Schub geben?
Man sollte zur Klarstellung noch einmal deutlich machen, dass es um ein Verbot von Neuzulassungen geht und nicht um ein Fahrverbot für Verbrenner. Aber ja: Mit dieser Massnahme signalisiert
die EU­Kommission eindeutig, dass an nachhaltigen Antriebstechnologien kein Weg vorbeiführt. Davon wird auch die Brennstoffzellentechnik profitieren.
Wie lange dauert es, bis die Wasser- stofftechnologie in Fahrt kommt?
Es braucht nicht mehr viel. Die Technik ist da, der politische Druck für den Klimaschutz auch. In Japan, Südkorea und China ist sie schon in Fahrt. Bei uns wird sie nach Lage der Dinge zunächst im Nutzfahrzeugbereich eine grössere Rolle spielen. Wie gesagt, gehe ich davon aus, dass perspektivisch auch die deutschen Hersteller die Techno­ logie für den Pkw wieder aufgreifen.
In der Schweiz ist es das Unternehmen H2 Energy, das zusammen mit grossen Firmen bis 2025 insgesamt 1600 Was- serstofflaster auf die Strasse bringen und das Netz an entsprechenden Tank- stellen ausbauen will. Was halten Sie von diesem Ansatz?
Das Projekt in der Schweiz wird in Deutschland viel beachtet und hat Vor­ bildcharakter. Es gibt grosse Hoffnun­ gen, dass es als Blaupause für entspre­ chende Projekte bei uns dienen kann. Man kann beim Blick in die Schweiz tatsächlich ein wenig neidisch werden.
Weshalb neidisch?
Weil eine klug gesetzte politische Rah­ menbedingung – die CO2­basierte Maut in der Schweiz – gereicht hat, um privat­ wirtschaftliche Akteure zum Handeln zu bewegen. Es bedurfte keines weiteren politischen Drucks oder keiner weiterer Förderung. Das ist beeindruckend. Und: Die Akteure in der Schweiz waren frei,
zu entscheiden, welche Technologie sie
  Die NOW GmbH leistet mit der Koordination von Programmen der Bundesregierung, der Politikbe­ ratung und Netzwerkarbeit an der Schnittstelle von Politik, Industrie, Kommunen und Wissenschaft einen wichtigen Beitrag zur Rea­ lisierung der Klimaziele, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat.
now­gmbh.de
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Kurt­Christoph
von Knobelsdorff
Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff­ und Brennstoffzellentechno­ logie (NOW GmbH) in Deutschland.
  





































































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